NUR EINE VISION  

(Dieter Hartig)

 

 

Einsam geh´ ich durch die Stadt,

Die nichts für Menschen übrig hat.

Verschlossen find ich Tür für Tür.

Plötzlich seh´ ich ein Bild von Dir.

Seh´ es im Rauch aus dem Kamin

In meinem Geist vorüberzieh´n.

Seh´ es in einer Hausfasade

Für die ich sonst nichts übrig hatte.

 

Erscheint es mir in jedem Baum,

In jedem Strauch, in jedem Zaun,

Und in der fernen Felssilhouette,

Die ich gern in der Nähe hätte.

Ich sehe Dich auch kristallin

In Form von Opal und Rubin.

Erblicke Dich in jedem Traum

Und dabei kennen wir uns kaum

 

Ganz anders ist das Gras sogar.

Es scheint mir so, als wär´s Dein Haar.

Und in den ausgereiften Trauben,

Erkenn´ ich Deine blauen Augen.

Und selbst die Wolken denk´ ich mir,

Zeigen ein neues Bild von Dir,

Wenn sie so langsam, wie gewohnt

Nach Osten zieh´n am Horizont.

 

Du offenbarst Dich in Gestalt

Von jedem Tier im dunklen Wald.

In jedem Vogel seh´ ich Dich.

Erkenn´ im Wasser Dich als Fisch.

Seh´ Dich am Weg als Blume steh´n.

Da schlägt´s vom Kirchturm her halb Zehn.

Und mit dem ersten Glockenton

Verschwindest Du, meine Vision.

 

Nun steh´ ich da wie eh und je,

Und such´ verzweifelt Deine Näh´.

Erforsch´ mein Inneres nach Dir.

Die Wirklichkeit verwehrt es mir.

Und dabei weiß ich ganz genau:

Du wärst ein Phänomen von Frau.

Ich bin so sehr in Dich verliebt,

Nur schade, daß es Dich nicht gibt.